Martina Rudloff im Katalog Zwischenlandung 1996
Bei aller Vorbedachtheit, allem Kalkül, die dem Prozess der bildnerischen Gestaltung von Skulptur als primär statisches Gefüge nun einmal eigen sind, stellt doch die figürliche Plastik noch am ehesten die Unmittelbarkeit einer menschlichen Beziehung her. Die körperliche Nähe oder Distanz setzten das rationale und emotionale Wechselspiel psychischer Zwischentöne in Gang und färben das Fluidum der Empfindung „auf den ersten Blick“. Anne Baischs Weiblein purzeln als ein Quell von Lebensfreude à la prima in ein Werk, das sich bisher eher distanziert gegenüber Figurativem und Spontanem verhalten hat. Mit introvertierter Besinnlichkeit und sublimer Sensibilität schnitt sie ihre transluciden Gestaltzeichen aus Aluminiumblech oder Glas, deren scharfe, zarten Linien sich fast minimalistisch mit leisen Schwingungen im Raum bewegen. Jetzt kommt die Eruption vitaler Gebärde, die Lust am Kneten in Ton und an der narrativen Gestik von irgendwo her. „Zwischenlandung“ nennt Anne Baisch ihr herabtummelndes Weibervölkchen. Da stehen, tanzen oder hüpfen sie: Die Arme empfangend ausgebreitet oder kokett in die Hüfte gestemmt, emphatisch gestikulierend oder zaghaft angedrückt; ganz ohne Arme auch mit Stummel- oder gar Flügelchen. Rund und voll sind ihre Körper, freudig erregt die prallen Brüste, keck die kleinen Köpfe mit den Haarknötchen. Dem Vergnügen entsprungen ist diese „leichte Geburt“ von 28 Figurinen von der Hand einer Künstlerin, die sehr wohl um das Zuviel oder Zuwenig weiß, die das Formverhalten der Vielheit in der Einheit kennt und ihre Akzente prägnant zu setzen vermag. Auch ist sich Anne Baisch bewusst, dass solch ein Born schnell wieder versiegen kann – und dann bleibt was es ist: eine Zwischenlandung eben.